Kann 24-Stunden Pflege mit Pflegesachleistungen finanziert werden?
Das Wichtigste in Kürze
- Die 24-Stunden-Betreuung durch ambulante Pflegedienste ist - trotz der Möglichkeit, Pflegesachleistungen in Anspruch zu nehmen - teurer als die Betreuung durch Vermittlungsagenturen.
- Verbraucher profitieren sowohl bei ambulanten Pflegediensten als auch bei nach DIN SPEC 33454 zertifizierten Vermittlern von einer höheren Pflegequalität und fairen Arbeitsbedingungen.
- Vorsicht vor unseriösen Vermittlern, die mit irreführenden Angeboten zur Abrechnung von Pflegesachleistungen locken.
Die Betreuung und Pflege älterer Menschen stellt für die Angehörigen in vielen Fällen eine große Herausforderung dar. Eine häufig gewählte Lösung ist die sogenannte 24-Stunden Pflege, bei der polnische Pflegekräfte in den Haushalt der Pflegebedürftigen einziehen und die Betreuung und Pflege übernehmen.
In der Regel wird diese Form der Versorgung von Vermittlungsagenturen auf Grundlage der EU-Entsenderichtlinie angeboten. Für die Finanzierung der Dienstleistung steht Versicherten das Pflegegeld in Höhe von maximal 947€ monatlich zur Verfügung.
Aber was ist eigentlich mit dem mehr als doppelt so hohen Budget der Pflegesachleistungen? Pflegesachleistungen sind Geldleistungen, die von der Pflegeversicherung direkt an zugelassene Pflegedienste gezahlt werden, um bestimmte Versorgungsleistungen abzudecken. Das Budget der Pflegesachleistung kann auch zur Finanzierung einer 24-Stunden Pflege verwendet werden, wenn bestimmte Kriterien erfüllt sind.
Die Pflegesachleistungen werden direkt zwischen dem Leistungserbringer und der Pflegekasse abgerechnet. Diese finanzielle Leistung wird bis zu einem festgelegten Höchstbetrag gezahlt, der wiederum vom Pflegegrad abhängt.
Pflegesachleistungen: Höhe der Leistungen
Pflegegrad 1 | 0 Euro pro Monat |
Pflegegrad 2 | 761 Euro pro Monat |
Pflegegrad 3 | 1.432 Euro pro Monat |
Pflegegrad 4 | 1.778 Euro pro Monat |
Pflegegrad 5 | 2.200 Euro pro Monat |
Voraussetzungen für die Abrechnung über die Pflegesachleistung
Grundsätzlich ist es möglich, eine 24-Stunden Pflege über Pflegesachleistungen abzurechnen. Allerdings müssen bestimmte Voraussetzungen erfüllt sein, damit diese Betreuungsform finanziell unterstützt wird:
1. Anstellung bei einem zugelassenen Pflegedienst
Die 24h-Betreuungskräfte müssen in Deutschland bei einem zugelassenen ambulanten Pflegedienst oder Betreuungsdienst nach § 45a SGB XI fest
angestellt sein. Ausschließlich ambulante Pflegedienste und
Betreuungsdienste können Pflegesachleistungen mit der Pflegeversicherung
abrechnen.
2. Räumliche Nähe zum Einsatzort
Der ambulante Pflegedienst muss sich in räumlicher Nähe zum Einsatzort befinden. Diese Anforderung ergibt sich aus § 72 Abs. 2 Satz 3 SGB XI, der eine kontinuierliche Qualitätskontrolle der Betreuung durch Pflegefachkräfte des ambulanten Dienstes vorschreibt.
3. Entlohnung
Betreuungskräfte müssen nach der ab 2022 geltenden Mindestlohn nach
Tariftreueregelung für die Pflegebranche entlohnt werden, d.h. sie
erhalten mindestens ca. 17 € pro Stunde.
4. Schulung der Betreuungskräfte
Betreuungskräfte müssen gemäß SGB XI § 53b spätestens sechs Monate nach ihrer Einstellung eine 160-stündige Schulung beginnen und diese nach weiteren sechs Monaten erfolgreich abschließen. So wird die Betreuungskräfte auf ihre Aufgaben vorbeeitet und die Qualität der Pflege sichergestellt.
5. Begrenzte Abrechnung für Betreuungsdienste
Für Betreuungsdienste nach § 45a SGB XI gilt, dass sie nur 40 Prozent
des Pflegesachleistungsbudgets abrechnen können und dies auch nur für
hauswirtschaftliche Leistungen. Für Betreuungs- und Pflegeleistungen
müssen anderweitig gezahlt werden.
Ist die Kostenübernahme der 24-Stunden Pflege über Pflegesachleistungen finanziell sinnvoll?
Viele Verbraucher erhoffen sich eine geringere Selbstbeteiligung wenn sie das höhere Budget der Pflegesachleistungen für die häusliche Pflege nutzen können. Aber stimmt das wirklich?
Kosten für die Betreuung durch einen ambulanten Pflegedienst
Der monatliche Bruttopreis für eine Betreuung durch den ambulanten Pflegedienst setzt sich aus folgenden Faktoren zusammen:
- Lohn für die Betreuungskraft (ca. 17 € / Std. nach Tariftreueregelung): 3.547,79 €
- Fahrtkosten für An- und Abreise aus Osteuropa: ca. 200 €
- Betriebskosten: ca. 250 €
- Marge: mind. 350 €
- Bruttopreis: mind. 4.350 €
Aufgrund der hohen Lohn- und Betriebskosten in Deutschland sind die Bruttopreise für die 24-Stunden Pflege durch ambulante Pflegedienste deutlich höher als vergleichbare Angebote von Vermittlungsagenturen. Nach Abzug von Pflegesachleistungen, Verhinderungspflege, 50% Kurzzeitpflegebudget und Entlastungsbetrag liegt der Eigenbeteiligung für Verbraucher bei der Betreuung durch einen ambulanten Pflegedienst in der Regel zwischen 1.929 € und 4.350 € monatlich.
Kostenbeispiel für 24h-Betreuung durch einen ambulanten Pflegedienst
Pflegegrad | Ohne PG | PG 1 | PG 2 | PG 3 | PG 4 | PG 5 |
Pflegesachleistungen | 0 € | 0 € | 724 € | 1.363 € | 1.693 € | 2.095 € |
Verhinderungspflege | 0 € | 0 € | 134 € | 134 € | 134 € | 134 € |
Kurzzeitpflege 50% | 0 € | 0 € | 67 € | 67 € | 67 € | 67 € |
Entlastungsbetrag | 0 € | 125 € | 125 € | 125 € | 125 € | 125 € |
Selbstbeteiligung | 4.350 € | 4.225 € | 3.300 € | 2.661 € | 2.331 € | 1.929 € |
Kosten für die Betreuung durch einen Vermittler
Bei der Vermittlung von 24-Stunden Pflege auf Grundlage der
EU-Entsenderichtlinie liegen die Bruttopreise je nach Pflegebedarf und
gewünschten Deutschkenntnissen zwischen 2.500 € und 3.500 €. Nach Abzug
von Pflegegeld, Verhinderungs- und Kurzzeitpflege liegt der
Eigenbeteiligung für Verbraucher in der Regel zwischen 1.750 € und 2.900
€ monatlich.
Kostenbeispiel für 24h-Betreuung durch einen zertifizierten Vermittler (Deutschkenntnisse A2)
Pflegegrad | Ohne PG | PG 1 | PG 2 | PG 3 | PG 4 | PG 5 |
Pflegegeld | 0 € | 0 € | 332 € | 573 € | 765 € | 947 € |
Verhinderungspflege | 0 € | 0 € | 134 € | 134 € | 134 € | 134 € |
Kurzzeitpflege 50% | 0 € | 0 € | 67 € | 67 € | 67 € | 67 € |
Selbstbeteiligung | 2.900 € | 2.900 € | 2.367 € | 2.126 € | 1.934 € | 1.752 € |
Es lässt sich somit festhalten, dass Verbraucher für die 24-Stunden-Pflege durch ambulante Pflegedienste zwischen 180 € und 1.450 € pro Monat mehr zahlen als für vergleichbare Angebote von Vermittlungsagenturen. Die Hoffnung, dass die Inanspruchnahme der höheren Pflegesachleistung für die Verbraucher zu einer geringeren Eigenbeteiligung führt, erfüllt sich leider nicht.
Qualitätsunterschiede zwischen verschiedenen Betreuungsmodellen
Ambulante Pflegedienste unterliegen strengen Qualitätsvorgaben, die durch den Medizinischen Dienst(MD) der Krankenkassen auditiert werden.
- Anamnese, Beratung und Organisation der Pflege durch examinierte Pflegekräfte
- Regelmäßige Überwachung der Versorgung
- Geschulte Laien-Hilfskräfte
- Faire Arbeitsbedingungen
- 1.929 € bis 4.350 € Eigenbeteiligung
DIN SPEC 33454-zertifizierte Vermittler unterliegen strengen Qualitätsvorgaben, die durch die Zertifizierungsstelle auditiert werden.
- Anamnese, Beratung und Einsatzorganisation durch examinierte Pflegekräfte
- Regelmäßige Überwachung der Versorgung
- Faire Arbeitsbedingungen
- Von Stiftung Warentest mitentwickelt und empfohlen
- 1.750 € bis 2.900 € Eigenbeteiligung
Nicht-zertifizierte Vermittler unterliegen keiner Regulierung. Verbraucherschützer wie Stiftung Warentest bemängeln regelmäßig:
- Mangelnde Beratung und Verbraucherinformation
- Missbräuchliche Arbeitsbedingungen
- Fehlende Prozesse zur Qualitätssicherung
- Mangelhafte Verträge zum Nachteil der Verbraucher
- 1.750 € bis 2.900 € Eigenbeteiligung
Vorsicht vor unseriösen Vermittlern
In jüngster Zeit ist vermehrt zu beobachten, dass unseriöse
Vermittlungsagenturen neben dem klassischen Vermittlungsgeschäft einen
einzelnen ambulanten Pflegedienst gründen. Ziel dieser Vorgehensweise
ist es:
- Verbraucher außerhalb des Versorgungsgebietes mit der angeblichen Möglichkeit der Kostenübernahme durch Pflegesachleistungen zu ködern und zum Abschluss eines herkömmlichen Vermittlungsvertrages (Entsendung) zu überreden.
- Vertrauen bei Beratungsstellen zu schaffen, um von diesen weiterempfohlen zu werden.
Erst am Ende des oft langwierigen Beratungsprozesses
erfahren die Verbraucher, dass eine Finanzierung über
Pflegesachleistungen außerhalb des Versorgungsgebietes gar nicht möglich
ist. Unseriöse Vermittler spekulieren darauf, dass viele Kunden dann
trotzdem nicht von der Buchung zurücktreten und sich für die Vermittlung
auf Grundlage der EU-Entsenderichtlinie entscheiden.
Beratungsstellen hingegen vertrauen auf die Auditierung durch den
Medizinischen Dienst(MD) der Krankenkassen. Dieser prüft
ausschließlich die Leistungen des ambulanten Pflegedienstes - nicht aber die
Leistungen der Vermittlung auf Basis des Entsendemodells.
Verbraucher und Beratungsstellen sollten daher darauf achten, dass Anbieter, die eine Kombination aus Vermittlungsagentur und ambulantem Pflegedienst betreiben, korrekt über die Bedingungen der Abrechnung informieren.
Checkliste: Seriöse Vermittler finden
Wie erkennt man eine seriöse Vermittlungsagentur? In unserer Checkliste finden Verbraucher die wichtigsten Kriterien, an denen sie vertrauenswürdige Anbieter erkennen können.
Fazit: Das sollte man zur Pflegesachleistung in der 24h-Pflege wissen
Die Inanspruchnahme von Pflegesachleistungen für die so genannte 24-Stunden-Pflege ist möglich, wenn diese durch einen ambulanten Pflegedienst vor Ort erbracht wird. Gegenüber qualitativ vergleichbaren Angeboten zertifizierter Vermittler zahlen Verbraucher dennoch eine höhere Eigenbeteiligung, da die höheren Betriebskosten und Personalkosten eines ambulanten Pflegedienstes die Betragsdifferenz zwischen Pflegegeld und Pflegesachleistungen übersteigt.
FAQs - Häufige gestellte Fragen
Was sind Pflegesachleistungen?
Pflegesachleistungen sind Leistungen der Pflegeversicherung, die für bestimmte Pflegeleistungen direkt an zugelassene Pflegedienste gezahlt werden.
Kann das Budget der Pflegesachleistung für die 24-Stunden Pflege verwendet werden?
Pflegesachleistungen können zur Finanzierung der 24-Stunden Pflege eingesetzt werden. Die Voraussetzungen sind:
- Die Anstellung der Betreuungskräfte bei einem ambulanten Pflegedienst oder einem Betreuungsdienst nach § 45a SGB XI
- Räumliche Nähe des Betreuungsdienstleister zum Einsatzort
- Entlohnung der 24h-Betreuungskräfte nach Tariftreueregelung für die Pflegebranche
- Schulung der Betreuungskräfte
Ist die Abrechnung der 24-Stunden Pflege über Pflegesachleistungen finanziell sinnvoll?
Aufgrund höherer Lohn- und Betriebskosten ist die 24-Stunden-Pflege durch ambulante Pflegedienste trotz der Inanspruchnahme von Pflegesachleistungen teurer als vergleichbare Angebote von Vermittlungsagenturen.
Die Eigenbeteiligung der Verbraucher bei Angeboten von ambulanter Pflegedienste liegt in der Regel zwischen 1.929 € und 4.350 € pro Monat. Bei vergleichbaren Angeboten klassischer Vermittlungsagenturen liegt die Eigenbeteiligung hingegen zwischen 1.750 € und 2.900 € pro Monat abhängig von Pflegebedarf und den gewünschten Deutschkenntnissen der Betreuungskraft.